ESRA ist das Psychosoziale Gesundheitszentrum und Partnerorganisation der IKG Wien.

Enthüllung des Mahnmals am Spiegelgrund

Am 20. September 2022 fand die Enthüllung des Mahnmals „Am Spiegelgrund“ in der Baumgartner Höhe in Wien statt.

Die Fürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund“ ist eines der dunkelsten und tragischsten Kapitel der Medizingeschichte. Zwischen 1940 und 1945 wurden zumindest 789 Todesopfer dokumentiert. Die NS-Terrormaschine setzte kranke, behinderte und „nicht erziehbare“ Kinder und Jugendliche medizinischen Versuchen aus, quälte und ermordete sie.
An dieses grauenvolle und so unnötige Leid soll von nun an ein neues Mahnmal erinnern, um im Gedächtnis zu halten, was sich nie wieder ereignen soll. Das Mahnmal wurde von der Künstlerin Dvori Barzilai kreiert: Auf einem weißen Stein, der die Unschuld und Reinheit der Kinder symbolisiert, sitzt ein verlorener Teddybär. Er sitzt dort stellvertretend für die Spielzeuge, die die gequälten, verletzten und ermordeten Kinder und Jugendliche während der Shoah zurück lassen mussten und mit denen sie nicht mehr spielen konnten. Dahinter die „Asseret Hadibrot“, die 10 Gebote, die in der Ethik Europas- und auch weit darüber hinaus- einen zentralen Rang eingenommen haben. Zu oft wurde auf die 10 Gebote vergessen, denn „Du sollst nicht morden“ ist eines davon.
Die Überlebenden vom Spiegelgrund, die bei ESRA in Beratung waren, sind jene Überlebenden, die von der Kinderübernahmestelle (Küst) in die sogenannte „Fürsorgeanstalt“ auf den Spiegelgrund überstellt wurden. Sie wurden jedoch nach dem Opferfürsorgegesetz (OFG) nicht als Verfolgte aufgrund von Behinderung (OFG Novelle 1995) anerkannt, da sie aus „anderen Gründen“ an den Spiegelgrund überstellt wurden. Da die Überlebenden in der ersten Zeit in der Beratung bei ESRA also noch gar nicht nach dem Opferfürsorgegesetz anerkannt wurden, musste ESRA bei Opferfürsorgeanträgen sogenannte „Nachsichtsansuchen“ stellen. Erst mit der Novelle 2005 wurden sie nach dem Verfolgungsgrund „Vorwurf der Asozialität“ anerkannt.
Die Leiterin für die Sozialarbeit bei ESRA, Mag. Gerda Netopil, fasst ihre jahrelangen Erfahrungen mit den Spiegelgrundüberlebenden folgendermaßen zusammen: „Grundsätzlich bezogen sich die sozialarbeiterischen Beratungen und Interventionen auf Leistungen des Opferfürsorgegesetzes (Amtsbescheinigung, Unterhaltsrente, Gesundheitsschadensrente („Opferrente“)) und Anträge auf Entschädigungszahlungen (Nationalfonds der Republik Österreich, Allgemeiner Entschädigungsfonds).
Die Antragstellungen nach dem OFG waren rechtlich und behördenbezogen schwierig, da die Spiegelgrundüberlebenden nicht den „klassischen Opfergruppen“ angehören, sondern auf sie das Kriterium der „Sozialen Verwahrlosung“ angewandt wurde. Um überhaupt einen Antrag auf Amtsbescheinigung stellen zu können, musste zuvor ein „Antrag auf Nachsicht von den Verfolgungsgründen“ beim zuständigen BM für Soziales gestellt werden. Eine Vielzahl von Interventionen war oft aufgrund des Fehlens von Nachweisen notwendig. Aufgrund der relativ frühen Multimorbidität der Spiegelgrundüberlebenden die im Alter zwischen 60 und 70 Jahren an einer Vielzahl von Erkrankungen leiden/litten, bezogen sich weitere Antragstellungen und Interventionen vor allem auf Pflegegeld und Betreuungsfragen (Heimhilfe u.a.). Die ökonomische Situation der Überlebenden vom Spiegelgrund ist gekennzeichnet, dass sie eine Eigenpension beziehen/bezogen und nicht auf eine Sozialhilfe-Dauerleistung angewiesen sind.“


Nachfolgend finden Sie den Link zum Zeitzeugeninterview von Alois Kaufmann, ein Spiegelgrundüberlebender. Das Interview wurde von erinnern.at durchgeführt.
https://www.ueber-leben.at/home/alois-kaufmann

Für ESRA waren bei der heutigen Mahnmalenthüllung die beiden Geschäftsführer Dr. Susanne Schütt und Prim. PD Dr. Dr. Benjamin Vyssoki, sowie die beiden Vorstandsmitglieder Dr. Simone Hollinsky und IKG-Präsident Ossi Deutsch anwesend.


Text: Mag. Georg Heidlmair, Mag. Gerda Netopil, Dr. Jasmin Freyer (ESRA), alpha-z
Fotos: Ouriel Morgensztern

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